Mein Urenkel Lenny brachte am letzten Schultag vor den Sommerferien sein Zeugnis mit dem Vermerk der Versetzung in die dritte Klasse nach Hause.
Beim Studium der Einschätzungen seines Verhaltens und seiner Leistungen habe ich am Ende laut gelacht. Nicht nur darüber, dass Brandenburgs Lehrer der Grundschulklassen derzeit auf dem Zeugnis mit lediglich ein paar Dutzend Kreuzen und einer Unterschrift auskommen. Trotzdem hatte ich im Vergleich zu eigenen Erfahrungen und jenen der von Sohn und Enkel hinsichtlich des Verständnisses von Schulzeugnissen meine Probleme. Die „gute alte Zeit“ bescherte den Schülern lediglich Noten von eins bis sechs, das hieß: von sehr gut bis ungenügend. Kreuze waren eher als Unterschriften von Analphabeten üblich.
Die heutigen Kreuze, nunmehr auf drei DIN-A4-Seiten in vorgedruckte Rubriken eingetragen, die zusätzlich in jeweils in vier verbal benannte Qualitätsmerkmale unterteilt sind, habe ich für mich aus rein logischen Erwägungen und zum besseren eigenen Verständnis als Zensuren von eins bis vier eingestuft.Dadurch versuchte ich mir nach altem Vorbild eine leidlich reale Einschätzung zu verschaffen.
Neben der Minderzahl an althergebrachten Lehrfächern gab es da ein Übermaß an Sonstigem wie: Soziales Verhalten, Aufmerksamkeit, Mitarbeit, persönliche Aktivitäten und vieles mehr.
In den meisten der angekreuzten Rubriken lag die Beurteilung meines Urenkels nach meiner Definition zwischen eins und drei.
Nun aber kommt meine Lachnummer. Drei Fächer wurden jeweils in sämtlichen vorgegebenen Aspekten mit eins beurteilt. Das betraf: Sport, Musik und Religion.
Ich konnte mir dabei nicht verkneifen, heimlich Lenny ein raffiniert zukunftsträchtiges Verhalten zu unterstellen. Als Spitzensportler muss man um ein gutes Einkommen nicht bangen, als Schlagerfuzzi lässt der „Ballermann“ nicht nur kein Auge trocken, sondern auch kein Konto leer; und nach einem Theologie-Studium kann man auf einen gut dotierten Posten in der Politik hoffen.
Somit habe ich keinerlei Einwände gegen das Ergebnis, auch wenn für mich jene Form von Schulzeugnis etwas gewöhnungsbedürftig war.